Skitöff fahren mit Martin Burgener auf dem Mönchsjoch

Heute hat mich Martin gefragt, ob ich mit ihm Skitöff fahren komme. Ich freue mich irrsinnig! Ich bin noch nie Skitöff gefahren! Das wird toll!

Zuerst fahren wir mit dem Ratrack vom Mönchsjoch runter zur Jungfraujoch-Station. Dort steht „mein“ Skitöff. Ich kann es kaum erwarten! An der Station angekommen, springe ich vom Ratrack und laufe auf den Töff zu! Aber wohin geht Martin??? Er läuft am Skitöff vorbei, in die Station hinein. Da Martin sehr wortkarg ist und ich ihn sowieso selten verstehe, hat es gar keinen Wert nachzufragen. So bleibe ich mal draussen stehen und warte ab, was passiert. Bestimmt kommt er bald wieder raus, schliesslich gehen wir zusammen Skitöff fahren! Da kommt er auch schon wieder. Voller freudiger Erwartung laufe ich ihm entgegen! Jetzt geht es los! „Schlauch rein!“ raunzt er mir entgegen und zeigt auf den Ratrack. Schlauch? Ratrack? Keine Ahnung, was er möchte. So steige ich mal auf den Ratrack an die Stelle, wo ein Schlauch reinpassen könnte. „Der Schlauch liegt da!“ raunzt Martin wieder und zeigt auf den im Schnee verschneiten Schlauch. Also wieder vom Ratrack runter, den Schlauch ausgraben. Egal, nachher gehen wir Skitöff fahren! Ich freue mich.

Als ich mit dem Schlauch wieder auf den Ratrack klettern möchte, bin ich plötzlich von fotografierenden indischen Touristen umzingelt! Was ist denn passiert? Irgendwo muss wohl eine Attraktion stattfinden. Bald bemerke ich, dass ICH die Attraktion bin! Also ganz cool bleiben, auf den Ratrack steigen und locker den Schlauch ins Loch lassen, wie von Martin geheissen. „Zapp“, rutsche ich aus und falle vom Ratrack! „klick klick klick!“ Die Touristen knipsen wie wild die rot angelaufene kleine Frau im Schnee mit dem Schlauch in der Hand. Tapfer lächelnd stehe ich wieder auf und schaffe es doch noch, ohne weitere Zwischenfälle auf den Ratrack zu kommen und den Schlauch rein zu stecken. Gespannt beobachten die Touristen was als Nächstes passiert. Ich auch…. Es passiert nichts! Da stehe ich auf dem Ratrack inmitten indischer Touristen, mit einem Schlauch in der Hand und warte auf weitere Anweisungen von Martin. Das dumme ist nur, Martin ist nicht da…. Irgendwann höre ich seine stampfenden Schritte aus dem Tunnel kommen! Er schaut mich vorwurfsvoll an und fragt „kommt Wasser?“ Ich denke zumindest, dass er das gefragt hat. So genau habe ich es nicht verstanden. Bevor ich mein „nein“ zu Ende sprechen kann, ist Martin auch schon wieder weg! Immer noch stehe ich mit meinen Touristen da und warte auf Wasser und Martin. Schliesslich kommt er wieder. „Schlauch raus!“ Schlauch raus? Aber es ist ja noch gar nichts passiert… Meine Einwände werden nicht wahrgenommen, Martin ist nämlich bereits schon wieder weg. Ich kraxle vom Ratrack, bekomme nebst den enttäuschten Gesichtern der Touristen noch einen schwachen Applaus und stapfe Martin hinter her. Der murmelt in der Zwischenzeit etliche unverständliche Sachen vor sich hin. Verstehen kann ich zwar nichts, aber es tönt nicht gut. Schüchtern wage ich einen Vorstoss und frage ihn, was das alles auf Deutsch heisse. „Schissdräck heisst das auf Deutsch!“ blafft er mich an. Alles klar!

Das Einzige, was mir wirklich Sorgen macht, ist, dass Martin in eine ganz andere Richtung läuft, als in die, in der der Skitöff steht. Irgendwann stehen wir vorne bei den Zügen. Brav wie ein Hündchen folge ich ihm. Keine Ahnung, wohin wir gehen…. Er murmelt was von Holz. Mehr kann ich leider nicht verstehen… Diese Bergleute! Martin diskutiert mit einem Angestellten der Jungfraubahn (in ganzen Sätzen!!!), dann schwingt er sich auf einen Gabelstapler und ruft mir zu „aufsteigen!“ Würde ich ja gerne, aber es hat keinen Platz. Martin fährt schon los, als ich erst mein erstes Bein oben habe. Nachdem ich es einbeinig hinter dem Gabelstapler herhumpelnd doch noch hinauf schaffe, finde ich schliesslich eine Position, die einigermassen sicher ist. Martin gabelt eine Kiste Holz auf den Stapler und rast Richtung Ausgang! Wenn ich Glück habe, falle ich nicht mal runter. Egal, bald können wir Skitöff fahren! Ich freue mich! Draussen angekommen, mache ich mich schon sprungbereit für den Aufstieg auf den Skitöff! Doch mitten im Sprung holen mich Martins harsche Worte wieder auf den Boden der Tatsache zurück… „Holz auf den Anhänger laden!“ So schleppe ich die schweren Holzbalken vom Gabelstapler auf den Anhänger rüber. Dieses Mal schauen nicht nur die Touristen zu, sondern auch Martin. Endlich fertig, möchte ich mich schon auf den Töff setzen, da stapft Martin wieder davon. Panisch folge ich ihm. Er wird doch nicht schon wieder was anderes machen wollen?

Im Tunnel öffnet Martin eine Tür und geht in einen Raum hinein. Verängstigt folge ich ihm. Was erwartet mich jetzt? „Kannst Du Auto fahren?“ fragt Martin kurz angebunden. Ha! Natürlich kann ich Auto fahren! Jetzt darf ich sicher was ganz Tolles machen! Vielleicht sogar den Gabelstapler zurück fahren? Es ist zwar kein Skitöff, aber das ist sicher auch lustig! Ich freue mich! „Klar kann ich Auto fahren“, mache ich mich gross. „Dann kannst Du auch tanken! “, grunzt Martin und drückt mir einen Tankschlauch in die Hand. Was soll ich damit? Ich dachte, wir gehen Skitöff fahren! Na gut, dann tanken wir den eben zuerst! Plötzlich schleppt Martin massenweise Kanister an: „Alle voll tanken!“ he?? Aber gut, ich bin ja ein gemütlicher Zeitgenosse und mache, wie mir geheissen. Das heisst, ich versuche es zumindest. Ich stecke den Schlauch in den Kanister, drücke den Griff vom Tankschlauch und warte (wieder mal). Nichts passiert (wie schon den ganzen Tag)… „es kommt nichts“, informiere ich Martin unschuldig. „Pumpen“, raunzt mich Martin genervt an. Pumpen???? Wie wo was? Ich traue mich nicht, nachzufragen. Martins Gesichtausdruck verheisst nichts Gutes…. Also drücke ich mehrmals hintereinander den Griff des Tankschlauches. Wahrscheinlich meint er das mit Pumpen. Martin schaut einen Moment ungerührt zu, dann sagt er wieder genervt „Pumpen!“ Ich „pumpe“ doch! „Hebel rauf!!“ motzt er und reisst mir genervt den Schlauch aus der Hand. Er macht den Hebel rauf und drückt mir den Schlauch wieder in die Hand. Ich stecke ihn wieder in den Kanister. Der Hebel ist oben, der Schlauch im Kanister und…. nichts passiert. Hilflos suche ich Martins Blick. „Pumpen!!!!“, sagt er schon um einiges lauter. Was meint er denn bloss damit? Nach einigen Sekunden Stille, die eine Ewigkeit dauern, macht er mit dem Kopf eine Bewegung auf einen roten Hebel am Tankkasten. „Pumpen“, sagt er dazu. Blitzschnell kombiniere ich: Das Pumpen muss was mit dem roten Hebel zu tun haben. Vorsichtig gehe ich an den Hebel. Noch weiss ich ja nicht, ob er auch tatsächlich das gemeint hat. Denn auch dieser Hebel sieht für mich nicht wirklich wie eine Pumpe aus. Ich ziehe den Hebel runter, innerlich betend, dass ich das Richtige tue bevor Martin explodiert. „Pumpen!!!!!“ Ja ja, aber wie pumpt man einen Hebel…?? Ich drücke ihn zurück! „Nicht spielen! Pumpen!!!“ faucht mich Martin an. Kein sonderlich netter Satz, aber wenigstens mal ein anderer… Nachdem ich bebend vor Angst doch endlich raus gefunden habe, wie man „pumpt“, schiebt Martin cool mit dem Fuss noch ein zwei Kanister in meine Nähe und murmelt etwas von „alle füllen, ich gehe rasch mit dem Töff weg!“ Aber…. WIR wollten doch zusammen Töff fahren gehen… Das Benzin rinnt mir die Arme hinunter. „musst halt putzen“ sind Martins letzte kalte Worte bevor er im Schneegestöber verschwindet. Ich höre noch das wunderschöne Motorengeräusch „meines“ Töffes, das in der Ferne – und mit ihm auch Martin – verschwindet.

Ich pumpe… ein Kanister, zwei Kanister, drei Kanister, vier Kanister… ich pumpe immer noch… Mein rechter Arm droht abzufallen. Ich wechsle auf den Linken. Fünf Kanister…. Ich wechsle wieder zum rechten Arm über. Sechs Kanister, sieben Kanister… Unendlich viele Kanister und Muskelkrämpfe später taucht Martin wieder auf. Sichtlich gebräunt von seinem Ausflug, schnappt er sich wortlos zwei von mir mühsam voll gepumpte Kanister und stapft wieder davon. Ich pumpe immer noch… Als ich vor lauter Erschöpfung nur noch auf den Knien pumpen kann, krieche ich nach draussen. Geschwächt draussen angekommen, steht Martin vor dem Ratrack und leert verschwenderisch mein Benzin dort rein! Verächtlich schaut er mich an: „Kannst gleich die leeren Kanister wieder mitnehmen und füllen!“ Wieso verstehe ich ihn immer nur, wenn er solche blöden Sachen sagt? Ich schleppe mich mit den leeren Kanistern wieder in mein Folterkämmerchen zurück und pumpe, pumpe, pumpe, pumpe…. 180 Liter lang pumpe ich mir die Seele aus dem Leib, dann endlich ist der Tank leer! Noch nie war ich so glücklich über einen leeren Tank.

Ich höre das Geräusch des Gabelstaplers! Martin ist wieder im Untergrund unterwegs! Oh Gott oh Gott! Er kommt näher! Ich suche nach einem Fluchtweg, doch es gibt keinen! Ich könnte mich hinter dem Tank verstecken! Schon setze ich zum Sprung an, da verhallt das Geräusch wieder! Martin und sein Gabelstapler sind an mir vorbei gefahren! Erleichtert setze ich mich in eine Benzinpfütze. Kurz bevor ich einschlafe, frage ich mich doch langsam, wo Martin nur bleibt. Wir wollten doch Skitöff fahren gehen und draussen stürmt es immer mehr. Ich erspähe ein Fahrrad im Raum, schiebe es in den Tunnel und radle Richtung Bahnstation, in dessen Richtung Martin gegabelstapelt ist. Ist ja super, es geht alles bergab. Darüber bin ich froh. Denn in dieser Höhe noch mit dem Rad rauf zu fahren, das würde mir gar nicht gefallen. Martin kann ja dann wieder zurück fahren, der ist sich so was gewohnt. An der Station finde ich Martin tatsächlich! Freudig drücke ich das Horn auf dem Fahrrad! Das hätte ich nicht tun sollen… Martin erspäht mich sofort! Doch auf seinem Gesicht spiegelt sich nicht dieselbe Wiedersehensfreude wie auf dem meinigen. Sofort setzt er zum nächsten Befehl an, ich sehe es ihm deutlich an! Kalter Schweiss rinnt mir den Rücken hinunter! „Anhänger an dem Fahrrad befestigen und zurück fahren!“ herrscht mich Martin von seinem Gabelstapler herab an! Ich hasse Gapelstaplers!!!! Zähneknirschend befestige ich den Anhänger am Fahrrad. Hätte ich dieses blöde Fahrrad doch nie angefasst! Ich kämpfe mich auf den Sattel und fahre los. Es geht alles bergauf. Das ist ziemlich blöd in dieser Höhe…. Die Luft ist dünn, mein Atem flach! Kurz vor dem Ersticken komme ich röchelnd oben an! Mit letzter Kraft krieche ich zum Ausgang, ich will Skitöff fahren! Draussen stürmt und schneit es, es ist kalt! Ich krieche weiter auf dem Bauch Richtung Töff. Knapp nehme ich noch wahr, dass ein Gabelstapler an mir vorbei rauscht. „Puuuuuumpen!“ höre ich eine Stimme aus der Ferne. Ich ziehe mich den Töff hoch, jetzt muss nur noch Martin kommen, dann kann es losgehen. Er hat’s mir versprochen! Martin kommt. Kurz angebunden informiert er mich darüber, dass es nun zu spät sei, um noch eine Tour zu machen.

Aber er hat mich gefragt, ob ich morgen mit ihm Skitöff fahren komme. Ich freue mich irrsinnig! Ich bin noch nie Skitöff gefahren! Das wird toll!