Nicole hatte bereits in den Vortagen ihr Knie gespürt. Genau wie letztes Jahr, wo es so schlimm wurde, dass Nicole letztendlich beim Arzt eine Spritze direkt ins Knie fassen musste. So entscheiden „wir“ uns, beim Arzt wieder solch eine Kortisonspritze zu fassen. Im Wartezimmer von Dr. Bundi werden sämtliche Horrorszenarien durchgespielt. Charly, eigentlich als Koch und Rucksackträger engagiert, sieht sich hier echt einer schwierigen Aufgabe konfrontiert, all diese Bedenken zu zerschlagen. Schlussendlich ruft der Henker und des Henkers Knecht in Gestalt der Arztgehilfin und fordert die Delinquentin auf, zum Schafott zu treten; „Frau Jörg, sie könned koo“. Wir hätten schwören können, da war ein hämisches Grinsen auf ihren Lippen. … Die weiss doch schon was kommt. Tut so scheinheilig. So eine ist das also. Mit stockendem Atem wird dem Arzt kurz die Situation erläutert, worauf dieser die Patientin bittet, das Knie frei zu machen. Den Anordnungen des Schlachtbankmeisters folgend beginnt Nicole zu pusten wie eine schwangere Frau bei der Niederkunft. Der Arzt weiss zu beruhigen, dass er nun ganz neu extrem dünne Nadeln habe, welche kaum zu spüren seien. Nicole und ich tauschen Blicke aus : "er lügt..." Die Spritze geladen und entschärft, wendet sich der Arzt um und holt aus, um Nicole abzustechen. Aller Unkenrufe zum Trotz hatte der Arzt tatsächlich Recht. Die Spritze war kaum zu spüren. Das bestätigte sogar Charly, auch er hatte nichts gespürt.
Im Anbetracht des Tatbestands, dass wir den für die Wanderungen eingekauften Proviant bereits zu Hause vertilgt haben, vermutlich im Eifer oder Ärger über das „Spiel des Lebens“, und in Anbetracht des schlechten Wetters, treffen wir die weise Entscheidung, unseren Wanderproviant wieder aufzustocken. So fahren wir nach Ilanz. Auf dem Weg dorthin halten wir beim Frauentörli an. In der Belmontfehde von 1352 spielte das "Frauentor" von Porclas auf Gemeindegebiet von Cumbel, einst eine Sperrmauer am nordöstlichen Taleingang, eine strategisch entscheidende Rolle. Ohne Kriegserklärung fielen die feindlichen Truppen von Norden her in das Bündner Oberland ein. Beim versuchten Einmarsch in die Val Lumnezia wurde eine grössere Einheit auf der Passhöhe bei St. Carli am Fusse des Piz Mundaun von der Ritterschar des Talherrn Belmont und den ihrem Gebieter wohlgesinnten Lugnezer Männern erfolgreich zurückgeschlagen. Ein Umgehungstrupp versuchte den Durchbruch bei der Talsperre in Porclas. Beim Läuten der Sturmglocken eilten die Lugnezer Frauen zum vermeintlichen Gefahrenherd und trieben den Feind mit einer gewaltigen Stein- und Holzlawine im Stile eines zweiten Morgartens in die Flucht. Seitdem wird dieser felsige Durchlass mit dem heute renovierten Talportal "Frauentor" und die Lugnezerinnen "Las Valerusas" (die Tapferen) genannt.
Anschliessend rufen wir spontan Grossmami in Domat/Ems an, um ihr einen kurzen Besuch abzustatten.